Der Dorfverein „Am Oderstrom“ - Biankas Welt zwischen Hafenfest und Polnisch Kurs

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Ortsschild Mescherin

„Mescherin ist das schönste Dorf der Uckermark“. Daran besteht für Bianka gar kein Zweifel. Tatsächlich fällt es schwer, sich dem Charme dieses kleinen malerischen Ortes zu entziehen. Wer von Deutschland aus mit dem Auto nach Mescherin kommt, durchquert auf einer steilen Straße einen mystischen, dichten Mischwald am Westufer der Oder. Wer den Ort Richtung Polen verlässt, überquert den Grenzübergang der Westoder, fährt durch die naturbelassene Auenlandschaft und erreicht über eine Eisenbrücke das polnische Gryfino. Für die einen liegt der Ort am Ende der Welt. Für die anderen kann es einfach keinen besseren Ort als Mescherin geben. Die Bewohner*innen sind auf jeden Fall mächtig stolz auf ihren Ort.

Nicht ohne Grund, so Bianka vom Dorfverein „Am Oderstrom“, sei der Leerstand in Mescherin kein Thema. In den letzten Jahren haben mehrere Pol*innen Grundstücke im Ort erworben und mit viel Liebe ihre Häuser renoviert. Bei der letzten Volkszählung 2011 waren knapp 14 Prozent der Bewohner*innen aus Polen. Heute sind es mit Sicherheit noch mehr. Aber nicht nur für die Polen ist Mescherin attraktiv. Wegen der Schönheit der Natur kommen auch die Tourist*innen in den Ort im äußersten Nordosten Brandenburgs. Die Fahrradfahrer*innen, die auf dem Oder-Neiße-Fahrradweg unterwegs sind, die Kajakfahrer*innen, die Touren ins Zwischenoderland unternehmen oder die Camper*innen, die ihren Sommerurlaub in Mescherin verbringen. Aber es gibt auch die Heimkehrer*innen, die wegen der Arbeit weggezogen sind und die wieder in ihre alte Heimat zurückkommen. So wie Bianka. Sie lebte bis Mitte der 1990er Jahre im nahegelegenen Schwedt/Oder in einer Plattenbausiedlung. Jetzt ist sie wieder in ihrem, wie sie sagt, „Omadorf“ zu Hause.

Zum Dorfverein „Am Oderstrom“ ist sie auf Umwegen gekommen. Schuld daran war wohl vor allem die Leidenschaft ihrer Kinder für Pferde. Als sich ihr damaliger Reitverein teilte und der verbleibende Teil eine Sparte des Dorfvereines wurde, hat sie angefangen sich für ihr Hobby in Mescherin zu engagieren. Aus dem Engagement für die eleganten Vierbeiner wurde dann mit der Zeit viel mehr. Wenn Haus, Kinder, Familie und Beruf es zulassen, engagiert sie sich mit vielen anderen, gern ehrenamtlich für den Mescheriner Dorfverein.

Gemeinschaftssinn wird in Mescherin großgeschrieben. Im letzten Jahr wurde auf dem Campingplatz ein neues Sanitärhaus eingeweiht. Bei den Arbeiten dazu haben viele Hände mitangepackt. Bianka hat besonders gefallen, dass bei den vielen freiwilligen deutschen Helfern auf dem Bau auch ein polnischer Rentner, der im Ort lebt, dabei war. Sie wünscht sich, dass sich noch mehr polnische Nachbarn einbringen. „Aber es gibt sowohl Deutsche als auch Polen, die lieber abseits von der Gemeinschaft leben“, so Bianka. Herzlich willkommen mitzumachen seien natürlich alle. „Man müsse sich aber eben auch ein bisschen einfügen, sich alles anschauen, das dann gut zusammenwächst.“

Nachwuchsprobleme hat der Dorfverein aber offenbar nicht. Auch wenn die jungen Leute heute lieber in Gartz (Oder) oder Gryfino als bei „Hertha Mescherin“ Fußball spielen, engagieren sich die Jugendlichen im Dorfleben. Neben der freiwilligen Feuerwehr sind viele der Jüngeren beim über Mescherin hinaus bekannten Hafenfest dabei. Viele Jungen und Mädchen beginnen ihre „Hafenfestkarriere“ oft als „kleine Nixen oder Häscher“. Wenn die Jugendlichen aus dem „Nixen-Alter“ herausgewachsen sind, „enden sie schließlich im „Kuchenzelt“ oder helfen beim Eintritt kassieren und bei den Kinderspielen“ erzählt Bianka mit einem Augenzwinkern. Aber natürlich gäbe es auch ältere Nixen. Ganz nach dem Motto „Jeder wie es ihm oder ihr eben passt!“.

Bianka glaubt, dass gerade auch der Bekanntheitsgrad des „Hafenfestes“ ein Garant für den Erfolg des Dorfvereins sei. Wenn es dann einmal nicht so gut laufe, müsse man eben „schmerzfrei“ und „teamfähig“ sein und auch einen „Tadel“ ertragen können. Persönlich motiviere sie aber vor allem, die Freude etwas mit anderen zu unternehmen. „Man macht ja nie etwas allein. Wenn sich alle auf einer Wellenlänge befinden, inspiriert man sich gegenseitig und kann etwas gemeinsam umsetzen.“

Als Gemeindevertreterin in ihrer Gemeinde ist Bianka ebenso aktiv wie im Dorfverein und hilft auch gern in Vereinen in benachbarten Gemeinden, wenn dort helfende Hände gebraucht werden.

Der Flötenkreis St. Stephan aus Gartz (Oder), in dem Bianka schon viele Jahre spielt, wird derzeit von einem polnischen Musiker der Philharmonie Stettin geleitet. Ein junger Mann, der uns sehr aufgeschlossen gegenübersteht und mit dem es uns viel Freude macht Lieder einzuüben. Hier brauchen wir unbedingt Nachwuchs, wirbt Bianka für ihr Hobby. Musik verbindet Menschen einfach und gut.

Sie gehört auch zu einer kleinen Gruppe von Mescherinern, die polnisch lernt. Kurse hat sie schon in Gartz (Oder) und in Tantow besucht. Im Oktober 2017 gab es einen Polnisch Crashkurs in Mescherin. Dieser wurde von den Einwohner*innen sehr gut angenommen. Daraus entwickelte sich ein kleiner Polnisch Kurs, der im Ehrenamt von einer polnischen Einwohnerin aus dem Dorfverein geleitet wurde. Bianka braucht Polnisch in ihrem Beruf „und wenn man einmal herüberfährt, will man ja auch nicht wie „doofe Deutsche“ dastehen, die keine andere Sprache kann.“ In ihrer Arbeit habe sie auch oft mit Polen zu tun. Da mache man verschiedene Bekanntschaften, „Solche und solche, wie das in Deutschland auch so ist.“ Einen prägenden Einfluss habe vor allem eine Freundschaft mit einer Polin gehabt, die sie schon zu DDR-Zeiten durch ihre Familie kennengelernt habe. Ihre Eltern hätten die polnische Bekannte immer nur liebevoll „die Tante“ genannt. Sie sei froh, dass die Zeiten, als die polnischen Besucher*innen im Oder-Center in Schwedt mit den Hinweisschildern „Nicht klauen“ begrüßt wurden, vorbei seien. Und fügt am Ende unseres Gesprächs hinzu, dass übrigens die deutschen Gäste in Polen bis heute immer mit „Witamy“ empfangen werden. Na dann - Willkommen!

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